Autismus Masking

Autismus-Masking verstehen

Autistische Menschen sind einzigartig und so vielfältig wie jede andere Gruppe auch. Sie begegnen uns in allen Altersgruppen, ethnischen Gemeinschaften und Kulturen. Oft wird das Wort „Autismus“ mit Stigmatisierung verbunden, doch es ist viel mehr als nur ein Diagnose-Label.

Es sei denn, man versteht, was Autismus ist und was es bedeutet, mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) zu leben.

Wir werden hier einmal beschreiben, welche unterschiedlichen Merkmale sich im Spektrum des Autismus finden lassen, welchen Problemen Menschen mit Autismus im Alltag gegenüberstehen und wir gehen auf die Maskierung bestimmter autistischer Symptome ein.

Was ist die Autismus-Spektrums-Störung?

Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die durch Unterschiede in Sozialverhalten, Kommunikation und Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Diese Unterschiede beginnen sich oft im frühen Kindesalter zu manifestieren. ASS ist keine Krankheit oder psychische Störung, sondern ein Zustand, der dazu führt, dass Menschen unterschiedlich auf Umweltreize reagieren und Schwierigkeiten haben, Informationen zu verarbeiten.

In der Forschung lassen sich inzwischen teilweise sichtbare Unterschiede in der Gehirnchemie feststellen. Autistische Menschen nehmen ihre Umgebung anders wahr als andere Menschen und benötigen möglicherweise mehr Zeit als andere, um verschiedene Fähigkeiten zu entwickeln. Film und Fernsehen haben das Bild eines leicht irren, tollpatschigen, aber höchst Insel-begabten Autisten geprägt, der wahnsinnige Rechnungen ausführen kann, aber quasi am „Hallo“ sagen scheitert.

Diese Darstellung ist oft meilenweit entfernt von der wahren Realität autistischer Menschen. Zwar gibt es tatsächlich Spezialinteressen bei vielen Menschen im Spektrum, diese können aber auch recht unauffällig sein, wie beispielsweise Pflanzen, Kochbücher oder Automarken.

Es ist möglich, dass auch du tatsächlich autistische Menschen kennst, ohne es zu wissen.

Warum wird der Begriff Asperger inzwischen kritisch gesehen?

Der Begriff „Asperger-Autismus“ ist vor allem deshalb in Misskredit geraten, weil Hans Asperger (1906–1980) am Euthanasie-Programm der Nazis beteiligt gewesen sein soll. Er soll offenbar autistische Kinder, die nicht ausreichend „funktioniert“ haben, gezielt aussortiert haben und in Vernichtungs-Einrichtungen überstellt haben. Auch Begriffe wie „hochfunktionaler Autismus“ sind in der Gruppe der betroffenen Menschen selbst sehr ungern gesehen, da sie augenscheinlich den Wert des Menschen für die Produktivität kategorisieren können.

Deshalb wird heute eher vom Autismus-Spektrum gesprochen, da dieser Begriff eher verdeutlicht, dass eben verschiedene Bereiche des Lebens eingeschränkt sein können, aber nicht müssen, und dass es eigentlich nicht „schlimmeren“ und „weniger schlimmen“ Autismus gibt. Es ist vielmehr so, dass im Rahmen der Neurodiversität unterschiedliche Gehirne eben unterschiedliche Gehirnchemie aufweisen und neurodivergente Gehirnstrukturen vorkommen können.

Zur Gruppe der neurodivergenten Menschen gehören beispielsweise auch Menschen mit ADHS. Dieser Begriff bezeichnet relativ wertfrei Gehirnstrukturen, die von der Norm abweichen, also nicht „neurotypisch“ sind.

Welche Probleme können autistische Menschen im Alltag haben?

Autistische Menschen können im Alltag viele Probleme haben, darunter:

  • Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit anderen Menschen.
  • Schwierigkeiten bei der Interaktion mit anderen Menschen.
  • Herausforderungen beim Verständnis von Einfühlungsvermögen und Intuition.
  • Probleme beim Verständnis von sozialen Signalen.
  • Mühe, soziale Konventionen und Normen einzuhalten.
  • Emotionale Instabilität oder Schwierigkeit, Gefühle zu regulieren.

Manche Menschen im Spektrum tun sich schwer, Gesichtsausdrücke richtig einzuordnen oder selbst Mimik zu zeigen. Teilweise werden sie deshalb als arrogant oder gefühlskalt eingeordnet, oder es wird davon ausgegangen, dass sie keine Empathie besitzen, was aber nicht unbedingt stimmen muss. Teilweise fällt es Autistinnen und Autisten tatsächlich schwer sich in andere hineinzuversetzen, was aber auch mit daran liegen kann, dass sie die Welt im Zweifelsfall sehr anders wahrnehmen als ihr Gegenüber.

Das sogenannte „zwischen den Zeilen lesen“ oder auch Ironie und Sarkasmus werden von autistischen Menschen teilweise auch nicht unbedingt erkannt. Sie tendieren teilweise dazu, Dinge sehr wörtlich zu verstehen und auch selbst zu sagen – das kann ihnen viel Unmut einbringen, dass soziale Normen teilweise darauf ausgelegt sind, Dinge nicht direkt auszusprechen. Autistische Menschen können also sehr, sehr ehrlich sein und damit in Ungnade fallen. Genauso kann es sich für sie merkwürdig anfühlen für etwas kritisiert zu werden, was nie direkt gesagt wurde. Beispielsweise weil erwartet wurde, dass sie die Botschaft „durch die Blume“ verstanden haben.

Autistische Menschen können auch wahnsinnig schnell in einen Zustand der Reizüberflutung geraten.  Ihre Sinneswahrnehmung kann viel stärker ausgeprägt sein als beim neurotypischen Menschen, sprich sie hören, sehen, riechen und fühlen immer alles ungefiltert und gleichzeitig. So kann beispielsweise das entlang Gehen an einer Straße schon zur Herausforderung werden, wenn man gleichzeitig Autos hört, Abgase riecht und vielleicht noch den Wollanteil im Pullover sehr stark fühlt. Dann zusätzlich noch ein Gespräch zu führen und gegebenenfalls Augenkontakt halten zu müssen – auch damit haben viele autistische Menschen Probleme – kann bereits die Energie des ganzen Tages auffressen.

In solchen Fällen kann es dann zum „Meltdown“ oder „Shutdown“ kommen. Ein Meltdown ist eine Art Zusammenbruch durch Überlastung im Hoch-Stress, teils mit Wutanfällen und Geschrei. Ein Shutdown hingegen kehrt sich nach innen, teils wird der Körper gewiegt, mehr Stimming betrieben und möglicherweise nicht mehr gesprochen. Manche autistische Menschen werden nonverbal in sehr anstrengenden Situationen, das heißt sie können kaum oder gar nicht mehr sprechen, selbst wenn sie wollen.

Was heißt Masking im Zusammenhang mit Autismus?

Autismus Masking ist eine Strategie, die autistischen Menschen hilft, sich in sozialen Situationen anzupassen. Diese Strategie kann beinhalten, dass Menschen versuchen, sich wie Nicht-Autisten zu verhalten, Interesse an Dingen zeigen, die sie normalerweise nicht interessieren würden und andere Taktiken einsetzen, um ihre Unterschiede zu minimieren.

Unter erhöhtem Kraftaufwand trainieren sie sich bewusst Mimik, Gestik und Floskeln, um in einer neurotypischen Gesellschaft nicht zu sehr aufzufallen. Sie unterdrücken Shut- oder Meltdowns (wenn sie es können) bis sie sich in einem sicheren Rahmen, beispielsweise zu Hause befinden, um nicht möglicherweise Probleme auf der Straße zu bekommen.

Schadet Masking Autisten?

All diese Verhaltensweisen, die tendenziell gegen die eigene Natur gehen, können enorm viel Kraft rauben. Sich andauernd anders zu verhalten als man eigentlich ist, schadet wohl allen Menschen, egal ob neurodivergent oder neurotypisch. Es kann Selbstzweifel befeuern, insbesondere wenn die ASS noch nicht erkannt wurde und die Betroffenen sich selbst die Verantwortung für ihr Anders-sein geben.

Oft ist es wohl leider auch so, dass weiblicher Autismus nicht oder nicht frühzeitig erkannt wird, weil Autistinnen teilweise mehr maskieren. Wenn das Masking also eine Diagnose verhindert, ist auch das möglicherweise bedauerlicherweise schädlich für den weiteren Verlauf, da weniger Unterstützungsmöglichkeiten gegeben sein können. Zudem hilft teilweise auch einfach schon einen Namen für die eigenen Schwierigkeiten zu haben.

Was ist Stimming?

Stimming ist ein Begriff, der für das sogenannte selbst stimulierende Verhaltensweisen genutzt wird. Hiermit ist gemeint, dass von autistischen Menschen durch sensorische Erfahrungen aller Art der eigene Stresspegel herunterreguliert wird. Das kann zum Beispiel singen, wiederholen von Wörtern, Herumspielen an Gegenständen, Streicheln von Kuscheltieren oder wippen mit dem Körper sein.

Es gibt sehr viele verschiedene Stimming Varianten, manche sind allerdings „auffällig“, weshalb sie im Rahmen des Maskings unterdrückt werden können.

Wie kann das Umfeld unterstützend wirken?

Akzeptanz und Toleranz sind die größte Hilfe für autistische Menschen. Sie profitieren davon, wenn beispielsweise kein Augenkontakt erzwungen wird, Kommunikation teilweise schriftlich erfolgen kann oder Stimming nicht mit verwunderten Blicken quittiert wird. Auch das Verwenden von Hilfsmitteln wie Stimming-Toys, Gehörschutz, Sonnenbrille oder bestimmter Kleidung zu ermöglichen kann die alltägliche Belastung für autistische Menschen immens reduzieren.

Wie ist die allgemeine Perspektive für Autismus?

Im richtigen Umfeld können autistische Menschen ein genauso erfülltes und produktives Leben führen wie andere   auch. Sie müssen vielleicht etwas besser mit ihrer Energie haushalten, ihre Hilfsmittel und Schwierigkeiten genau kennen und damit leben lernen, dass sie eben von der Norm abweichen, deshalb aber nicht weniger wertvoll sind. Es gibt verschiedene Angebote und Stellen, wo man sich über Autismus informieren kann oder Unterstützung wie beispielsweise Schulbegleitung für autistische Kinder beantragen kann.

Was müsste sich in der Gesellschaft ändern, um Masking überflüssig zu machen?

Ein besseres Verständnis von Autismus-Masking sollte im Idealfall zu einem mitfühlenden und integrativen Umfeld für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen führen. Das Verständnis, welche Varianten es im Spektrum gibt, wächst, Betroffene vernetzen sich und die Forschung lernt immer mehr über das Thema. Doch bis zu einer idealen Gesellschaft, in der auch Frauen beispielsweise besser diagnostiziert werden, dauert es wohl noch ein wenig.

Zusammenfassung

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) können sich auf eine Art und Weise zeigen, die zunächst schwer zu erkennen ist. Autismus-Masking ist ein Phänomen, bei dem Menschen auf dem Spektrum in der Lage sind, die Präsenz ihres Autismus bewusst zu verschleiern. Dies geschieht in der Regel durch die Unterdrückung von Verhaltensweisen wie Stimming und das Einüben von sozialen Protokollen, was es ihnen leichter macht, sich besser in die Gesellschaft einzufügen. Autismus-Masking kann für Menschen auf dem Autismus-Spektrum hilfreich sein, da es ihnen Zugang zu Umgebungen verschafft, an denen sie sonst vielleicht nicht teilnehmen könnten. Es heißt jedoch, dass Autismus-Masking psychisch anstrengend ist, da die Aufrechterhaltung dieser „Fassade“ außerordentlich viel emotionale Energie erfordert.

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