
Ein wesentlicher Teil des menschlichen Nervensystems besteht aus dem Endocannabionoid-System. Vielfach wird es auch als das endogene Cannabinoid-System bezeichnet. Endogen steht hierbei für die Prozesse, die im Körper stattfinden und nichts mit äußeren Einflüssen zu tun haben. Die verschiedenen Endocannabinoid-Rezeptoren findet man im gesamten Körper, einschließlich des Gehirns, der Drüsen, dem Gewebe, in den Organen, den Zellmembranen und in den Immunzellen.
Zu den wesentlichen Bestandteilen des Endocannabinoidsystems zählen die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 sowie die körpereigenen Endocannabinoide bzw. Cannabinoide, welche sich an die Rezeptoren andocken und somit für eine Aktivierung sorgen. Die drei wichtigsten Liganden, die an die Cannabinoidrezeptoren andocken sind lipophil (fettliebend). Sie enthalten sowohl Endocannabinoide als auch Phythocannabinoide und synthetische Cannabinoide.
Auch der Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) bindet sich beim Konsum von Cannabis an die Cannabinoidrezeptoren und kann so seine Wirkung entfalten. Bei Cannabinoid-Rezeptoren handelt es sich um Rezeptortypen, die an der Oberfläche der Zellen existieren. Sie übermitteln die Informationen über den Zustand des Körpers und sich ändernde Bedingungen. Des Weiteren werden die verschiedenen Signalwege durch die Cannabinoid-Rezeptoren in den Zellen beeinflusst.
Die Geschichte des Endocannabinoidsystems
Mitte der 60er-Jahre haben die israelischen Wissenschaftler Yehiel Gaoni und Raphael Mechoulam THC (Tetrahydrocannabinol) als einen der wichtigsten psychoaktiven Wirkstoffe in der Cannabispflanze identifiziert. Rund 20 Jahre später haben weitere Forscher die speziellen Rezeptoren im menschlichen Nervensystem entdeckt, an denen sich die Substanz THC bindet.
Daraufhin entdeckten Mechoulam und seine Kollegen das endogene (körpereigene) Cannabinoid. Sie bezeichneten dies als Anandamit (Arachidonylethanolamid) in Anlehnung an das indische Sanskrit „ananda“. Dies kann mit Glückseligkeit gleichgesetzt werden. Somit war diese Entdeckung der Startschuss für die bis heute andauernde Erforschung des ECS.
Das ECS bekam seinen Namen aufgrund der Ähnlichkeit mit den Phytocannabinoiden in der Cannabispflanze.
Wie ist das ECS aufgebaut?
In verschiedenen Regionen des menschlichen Körpers befinden sich Cannabinoid-Rezeptoren, die alle Einfluss auf die unterschiedlichen Prozesse haben. Im Gehirn, in den Nieren und im Darm befinden sich in erster Linie die CB1-Rezeptoren, wobei eine sehr hohe Konzentration der CB1-Rezeptoren in verschiedenen Hirnregionen zu finden ist. Zu den Hirnregionen zählen
- Kleinhirn
- Basalganglien
- Hippocampus
Die beiden ersten sind für die Bewegungssteuerung (Gleichgewicht) und die dritte für die Informationsverarbeitung zuständig.
Eine wichtige Rolle spielen die CB1-Rezeptoren für die Motivation sowie für die kognitive Funktion unter anderem die Gedächtnisbildung. Von CB2-Rezeptoren weiß man bisher nur, dass sie im zentralen Nervensystem für die Immunabwehr genutzt werden. Bei einer Überaktivierung oder Dominanz kann es zur Beeinträchtigung der Immunfunktion sowie der Wundheilung kommen.
Damit die Cannabinoid-Rezeptoren aktiviert werden können geschieht dies über die Endocannabinoide. Im Vergleich mit den anderen Neurotransmittern werden die Endocannabinoide nicht in den Nervenzellen gespeichert, sondern immer erst im Bedarfsfall hergestellt. Neben dem Anandamid ist das bekannteste Endocannabinoid das 2-Arachidonoylglycerol, welches mit 2-AG abgekürzt wird.
Wie funktioniert das Endocannabinoid-System?
Bei vielen Körperfunktionen spielt das Endocannabinoid-System eine wichtige Rolle. Unter anderem beeinflusst es die Aktivierung von anderen Neutransmittern, wie zum Beispiel
- Glutamat
- Dopamin
- GABA
Zum aktuellen Zeitpunkt befindet sich die Erforschung des ECS praktisch noch in den Kinderschuhen, sodass immer neue Erkenntnisse über die Bedeutung dieses Systems sowie die Nutzung der Inhaltsstoffe von Cannabis ans Tageslicht kommen.
Bis heute ist die immunmodulatorische Wirkungsweise des Endocannabinoid-Systems noch nicht ausreichend erforscht, dennoch kann bereits gesagt werden, dass die optimale Dosierung und Konzentration von Cannabinoiden Entzündungsreaktionen im Organismus bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen mindern kann. Zu den Autoimmunerkrankungen zählen:
- Multiple Sklerose
- Arthritis
- Lupus
- Encephalomyelitis
- Parkinson
Wird in das ECS eingegriffen, kann dies zu deutlichen Auswirkungen führen. Werden beim Menschen durch das Arzneimittel Rimonabant die CB1-Rezeptoren blockiert, kann dies zu schweren Angststörungen führen. Aus diesem Grund wurde bereits ein Medikament mit diesem Wirkstoff vom Markt genommen. Auch wenn das Medikament ursprünglich zur Dämpfung des Appetits eingesetzt werden sollte, damit bei Fettleibigkeit das Abnehmen erleichtert wird, da CB1-Rezeptoren auch für die Steuerung des Appetits verantwortlich sind. Menschen, die Cannabis konsumieren, können so in einen sogenannten Fressflash kommen.
Funktioniert das Endocannabinoid-System ordnungsgemäß begrenzen die Endocannabinoide die Entzündungssignale im Immunsystem, da grundsätzlich neben den Entzündungs-Molekülen auch die Freisetzung von Endocannabinoiden bei einer Verletzung wichtig ist. Kommt es hingegen zu einem Mangel an Endocannabinoiden kann dies ursächlich für die Erkrankungen bzw. Krankheiten Migräne, Fibromyalgie oder dem Reizdarmsyndrom sein.
Ebenfalls eine gute Variante die Arbeit des Endocannabinoid-Systems zu erklären, ist die Regulation der Neuronen (Gehirnzellen). Die Neuronen kommunizieren dabei durch das Senden von elektrochemischen Signalen, dabei muss jedes Neuron auf die anderen Dinge im Körper hören, denn es könnte durch zu viele Signale zu einer Überlastung und zu Problemen kommen.
So laufen eine Vielzahl von Reaktionen im Endocannabinoid-System ab, welches auch für den Abbau von Endocannabinoiden verantwortlich ist. Sollte ein Ungleichgewicht in diesem komplexen System bestehen, kann es zu schwerwiegenden Folgen kommen.
Es gibt eine Reihe von weiteren Prozessen und Mechanismen, an denen das Endocannabinoid-System maßgeblich beteiligt ist. Dazu zählen
- Appetit- und Motilitätssteuerung
- Temperatursteuerung
- Neuroprotektion
- Krebs
- Schmerzzustände
- Schlafinduktion
Was sind die Effekte von Cannabis auf das Endocannabinoid-System?
Der Wirkstoff THC im Cannabis bindet sich ähnlich wie die endogenen Cannabinoide an die CB1-Rezeptoren und nimmt daher Einfluss auf die Prozesse, welche vom Cannabinoid-System gesteuert werden. Die Endocannabinoide werden schnell wieder abgebaut, während das THC sich deutlich länger im synaptischen Spalt hält und zu einer länger anhaltenden Aktivierung beiträgt.
Die Ausschüttung von Dopamin wird von THC verursacht, auch wenn dies in geringerem Ausmaß geschieht als bei Amphetaminen oder Kokain als Stimulanz. Das Cannabinoid-System kann hierauf unterschiedlich reagieren, denn die psychoaktive Wirkung des THC hängt sowohl von der Dosis als auch vom Patienten ab.
THC kann demnach sowohl Glücksgefühle wie auch Angstzustände auslösen. Werden die CB1-Rezeptoren durch den Cannabis-Konsum zu häufig aktiviert, kann dies zu einer Toleranzentwicklung führen. Im Übrigen bindet sich Cannabidiol nicht an die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems.
Werden die CB1-Rezeptoren durch THC dauerhaft manipuliert, dann hat dies Einfluss auf die Informationsverarbeitung sowie auf das Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis. Bei einem chronischen Konsum nimmt die Gedächtnisleistung ab, kann sich aber bei Abstinenz wieder erholen. In Studien wird immer wieder gesagt, dass die Wirksamkeit von THC und Anadamid an den CB2-Rezeptoren niedriger ist als an den CB1-Rezeptoren.
Was versteht man unter Homöostase?
Die Homöostase bezieht sich auf das Konzept des biologischen Gleichgewichts im menschlichen Körper. Dies bedeutet, dass alle Systeme im Körper auf natürliche Weise reguliert werden, umso sicherzustellen, dass der Körper die perfekten Bedingungen vorfindet. Ein Beispiel hierfür ist die Körpertemperatur. Sie muss sich immer in einem bestimmten Bereich befinden, damit die Leistungsfähigkeit der Zellen garantiert werden kann.
Was sind Agonisten und Antagonisten?
Erst durch das Muskelkorsett wird die Bewegung des menschlichen Körpers möglich. Hierbei führt der Agonist (Spieler) eine Bewegung aus während der Antagonist (Gegenspieler) die Bewegung in die Gegenrichtung ausführt. Für jede Bewegung werden also die beiden Spieler benötigt, denn ein Muskel, der sich zusammengezogen hat, kann sich nicht mehr allein ausdehnen.
Was ist Dronabinol und wird es eingesetzt?
Dronabinol wird in den USA zur Behandlung der Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust bei AIDS-Patienten eingesetzt. Ebenso ist Dronabinol das Mittel der zweiten Wahl, wenn es um die Hemmung bei Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einer Chemotherapie geht.
Wie wichtig ist Arachidonsäure?
Die Arachidonsäure zählt zu den semiessentiellen Fettsäuren. Bekommt der Körper keine Arachidonsäure, dann funktioniert seine Immunabwehr nicht – bei zu großen Mengen hingegen, reagiert das Immunsystem empfindlich.
Zusammenfassung
Im menschlichen Körper gibt es spezifische Cannabinoid-Bindungsstellen an der Oberfläche der verschiedenen Zelltypen. Der Körper kann verschiedenen Endocannabinoide, an diese Rezeptoren binden und dann aktivieren. Bis heute sind die Forschungen am Endocannabinoid-System noch nicht endgültig abgeschlossen, sodass immer neu Erkenntnisse möglich sind.
Die häufigsten Fragen / FAQ
💡 Was sind Cannabinoidrezeptoren?
Hierbei handelt es sich um Bindungsstellen für Cannabinoide auf Nervenzellen des ZNS und anderen Zelltypen.
❓ Was bedeuten CB1- und CB2-Aktivator?
CB1 und CB2 sind Rezeptoren. Über diese werden exogene Cannabinoide aufgenommen.
🚨 Was machen Cannabinoide?
Cannabinoide docken am CB1-Rezeptor an, dieser gibt bestimmte Signale weiter an andere Nervenzellen.
🤔 Was ist das Endocannabinoid-System?
Bestandteile des Endocannabinoid-Systems (auch ECS) sind die beiden Rezeptoren CB1 und CB2, aber auch körpereigene Cannabinoide.
Quellen und weiterführende Links
- https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=dronabinol
- https://de.wikipedia.org/wiki/Endocannabinoid-System
- https://www.cannabis-med.org/data/pdf/de_2006_01_2.pdf
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